Kanzlei Stbv. Cornelia E. Lambe
Kanzlei Stbv. Cornelia E. Lambe

Über die Kanzlei im Laufe der Zeit

 

 

10 Jahre im Freistaat Sachsen,
10 Jahre in Strehla

1990 - 2000

 

 

Die ersten Wogen der großen Erleichterung über die Wende und die Grenzöffnung vom 9. November 1989 sind allen noch frisch im Gedächtnis, als wir am 5. Mai 1990 zum ersten Mal bei Motzlar nach Thüringen über die Grenze fahren. Ein weißer Bretterverschlag ist provisorisch in der Mitte der Straße aufgestellt. Kein Fenster nach vorne. Ein großes Schild an der Stirnseite macht die Autofahrer auf die Passkontrolle aufmerksam. An der Seite ein kleines Fenster, nicht größer als ein großer Briefumschlag. Gebieterisch kommt eine schmale Hand aus der kleinen Öffnung, fordert den Reisepass, kein Wort wird gesprochen. Mit lautem Knall setzt ein Stempel den Einreisevermerk in den Pass.

Gewunden führt die schmale Straße ins nächste Dorf, es klebt wie ausgestorben an der Straße, die Häuser offensichtlich bewohnt, doch Menschen sind nicht zu sehen. Auch das nächste Dorf wie ausgestorben.

Dann ein größeres Dorf, es ist kurz vor 13 Uhr, wir haben Hunger. Eine blasse HO-Gaststätte fordert zur Einkehr auf. An der Theke erkundigen wir uns, ob wir etwas zu essen bekommen können. Der karg eingerichtete Gastraum ist leer, stumm stehen die kunststoffbeschichteten Einheitstische mit nagelneuen Campingklappstühlen im Saal. Die Küche ist bereits geschlossen, doch wir bekommen noch ein einfaches Schnitzel mit Kartoffeln und Erbsen für 2,80 Mark angeboten. Erstaunlich schnell wird das Essen auf Portionstellern serviert. Das Aluminiumbesteck ist nur mäßig verborgen, das Messer dem Schnitzel beinahe gewachsen.

Urplötzlich füllen durstige Männer den Raum, trinken Bier, sehen immer wieder zu unserem Tisch. Wir fühlen uns wie Affen in ihrem Käfig. Es wird getuschelt. Dann spricht uns der älteste Mann an, fragt nach unserem Auto. Die PS-Zahl interessiert. „110 PS“ antwortet Helmut. Und der Senior fragt: „Das Auto da draußen, das ist doch ihr Auto?“ Als wir bejahen, bekommen wir 35.000 DM geboten. Ich bin entsetzt. Unser Auto ist zwei Jahre alt, hat in dieser Zeit über 80.000 km unter seinen Rädern gelassen – der Neupreis ursprünglich 23.000 DM.

Das Auto blieb unser.

Die weitere Fahrt Richtung Pößnek, zu meiner Tante, die in Krölpa wohnt, lässt noch viele Eindrücke auf uns einstürmen. So zum Beispiel der Anblick von unendlichen Reihen von grauen Briefkästen, die jeweils zu zwanzig Häusern gehörten. Sehr energiesparend für den Briefträger, die Kommunikation der Bevölkerung fördernd.

 

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Anfang Juni 1990 hatte mich die IHK Riesa beauftragt, einige Handwerksbetriebe der Region zu besuchen, sie über die neuen steuerlichen Regelungen zu informieren. Ich war durch die Vermittlung von Herrn Paul, einem Unternehmensberater aus Mannheim, in Kontakt mit der damals noch bestehenden IHK Riesa, speziell Herrn Lempe, gekommen.

Für mich begann eine Fahrt, die nicht enden wollte: für die 500 km von meinem Wohnort aus benötigte ich über 12 Stunden. Darin inbegriffen 2 Stunden Schlangestehen am Hermsdorfer-Kreuz, der Tank war leer.

Tief in der Nacht, am 25. Juni 1990, abends um 20:30 Uhr, treffe ich in einer dunklen Straße in Riesa ein. – Heute weiß ich: es war die Goethestraße. – Eine dunkle Straße, dunkle Häuser. Doch ich finde jemanden, der mir den Weg zum Bettenhaus beschreiben kann. Zu essen bekam ich an diesem Tag nichts mehr, da hätte ich mich schon zu den üblichen Zeiten, zwischen 17 und 18 Uhr, im Selbstbedienungsrestaurant anstellen müssen.

Am nächsten Morgen, im Frühstückraum, komme ich mir wie in einer Bahnhofskneipe in einem Vorort von Mannheim vor: um die kleinen Tische sind jeweils vier Stühle aufgestellt, Tasse an Tasse sitzen jeweils zwei oder drei Herren an den Tischen. Der melodische Mannheimer Dialekt lässt Worte von „Sozialversicherung“ „Versicherungsordnung“ und „Rentenversicherung“ wie bunte Ballons durch den Raum schweben. Mitarbeiter der Allgemeinen Ortskrankenkasse Mannheim haben den Frühstücksraum okkupiert.

Ich, als Frau, sitze allein am Tisch.

Am Abend davor hatte ich mich noch mit Herrn Paul getroffen, er sagte mir, dass er mir das seiner Meinung nach ruhigere Hotel, das Bettenhaus, ausgesucht hätte, das Bahnhofs-Hotel sei ihm zu laut gewesen. Und dann bekam ich voll Stolz die Straßenkarte Nr. 6 vom Tourist-Verlag, 6. Auflage von 1988, überreicht, die er glücklicherweise für mich bei Buch & Kunst hatte ergattern können. Dazu bekam ich noch eine Liste mit den für die in den nächsten Tagen vereinbarten Terminen. Und nun ging die Tour los:

Seerhausen – Nauwalde – Seerhausen – Stauchitz – Riesa. Die Fahrten zwischen den einzelnen Besprechungen ist immer von Überraschungen geprägt, neue Eindrücke stürzen ungefiltert übereinander und knäulten sich in meinem Kopf zu einem dröhnenden Chaos zusammen. In der Nacht wird sortiert. Doch das unablässige Brummen lässt nicht nach, wird deutlicher und endlich von meinem Unterbewusstsein zugeordnet: es stammt von den Silos des VEB Mischfutterwerk.

Auch in den nächsten Tagen fuhr ich wieder kreuz und quer in der Umgebung von Riesa hin und her. Einer der Termine brachte mich in Riesa in die Strehlaer Straße, zum ersten Mal folgte ich dem Straßenschild Richtung Strehla, doch maß ich dem noch keine Bedeutung bei.

Und immer wieder fuhr ich durch die Landschaft, die so voller neuer Eindrücke für mich war, so, wie ich es nur aus Filmen von Amerika kannte: endlose Felder, die sich fast bis zum Horizont erstreckten, Felder, auf denen das Getreide in großen Quadraten angebaut war, ohne dass die Felder von Landwirtschaftswegen unterteilt waren. Unmengen von Greifvögeln saßen in stoischer Ruhe auf den Apfelbäumen, die die Straßen zu Alleen säumten.  

Ich fahre hinter einem hellblauen, knatternden Trabbi her, Fahrer und Beifahrerin sitzen dicht hinter der Windschutzscheibe, ihre Schultern pressen sich aneinander. Ich überlege mir, welcher Schuhlöffel wohl nötig war, damit das Paar sich in den Trabbi zwängen konnte.

Vier Tage fahre ich von Termin zu Termin. Von Ort zu Ort, von Dorfstraße zu Dorfstraße. Lediglich in Riesa scheinen die Straßen unterschiedliche Namen zu haben. Die Straßenschilder sind meistenteils eingespart. Zum Einen, weil es logisch ist, dass die Straße die Dorfstraße ist, zum anderen, weil die Einheimischen doch wissen, wie ihre Straße heißt.

Am folgenden Wochenende bin ich wieder in Krölpa im Thüringischen. Samstags werde ich zum Konsum geschickt, soll einkaufen. Es ist der 30. Juni 1990, die Regale sind leer. Nur Schilder verraten, welche wohlsortierte Vielfalt von Lebensmitteln auf den hellen Blechregalen zum Kauf angeboten wird. Unverrichteter Dinge muss ich die Verkaufsstelle wieder verlassen. Am Montag gehe ich wieder zu der gleichen Verkaufsstelle, die Regale biegen sich durch, das Warenangebot kennt keine Grenzen. Alles mir vertraute Produkte, einschließlich der Treibhaustomaten aus Holland, sind mit der seit gestern gültig gewordenen Deutschen Mark zu kaufen. Einheimische Produkte kann ich keine finden – die sind offensichtlich aus der Mode.

Anschließend bin ich noch einmal für zwei Tage in Riesa, dieses Mal jedoch mit Familie. An der Rezeption vom Bettenhaus werde ich wiedererkannt. Der dreijährige Zwerg an meiner Hand wird wohlwollend gefragt „Na, darfst du auch einmal mit der Oma verreisen?“ Mein Sohn sieht mit großen Augen und viel Unverständnis die Fragende an. Schließlich bin ich doch nur etwas mehr als 33 Jahre älter als mein Sohn. In den alten Bundesländern ein durchaus gewöhnlicher Altersunterschied. Die jungen Mädchen, die direkt von der Schule kommend bereits zu Müttern werden, sind hier die Regel, bei uns unvorstellbar.

 

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Ich muss nach Hainichen fahren. Die Buchhalterin der Spinnerei führt mich voll Stolz an ihren computergestützten Arbeitsplatz. Sie will von mir wissen, ob sie das von der Bank angebotene Programm installieren kann. Der Robotron-Computer läuft mit einem DOS ähnlichem Programm, die Funktionen sind mir vertraut, kein Unterschied ist zum MS-DOS festzustellen. Nach dem Herunterfahren des Computers greife ich mechanisch an den Kippschalter, um ihn auszuschalten. Ein entsetzter Schrei lässt mich stocken. Ich werde darauf hingewiesen, dass der Kippschalter so ein seltenes Ersatzteil ist, dass seine Benutzung, damit er ja nicht kaputt geht, zu unterlassen ist. Stattdessen wird, mit einem Ruck am Kabel, der Stecker aus der Wandsteckdose gezogen. Der Rahmen gibt nach, kurz sind die dünnen Drähte der Zuleitung zu sehen, dann wird die Dose mit einem gekonnten Schlag wieder an ihren Platz in der Wand zurück gedrückt. Ich sehe staunend zu.

Wieder in Riesa, habe ich einen Termin bei Herrn Kästner, Rat des Kreises, Abteilung Finanzen. Das Amt ist schräg gegenüber vom Bettenhaus in der Berliner Straße. Im zweiten Stock, mit Blick auf die Straße, ist das Zimmer von Herrn Kästner. Fragen müssen noch geklärt werden, bevor ich wieder zurück nach Darmstadt fahre.

Ich kann eine Kanzlei im Finanzamtsbezirk Riesa eröffnen, doch zwingend notwendig ist dazu, dass ich einen Wohnsitz im Bereich des Amts von Riesa habe. Eigentlich hatten wir uns gerade um eine Wohnmöglichkeit in Pößnek gekümmert, die wird wieder aufgegeben, stattdessen eine Anzeige im Riesaer Wochenblatt veröffentlicht.

Doch die Erwartungen an die Anzeige erfüllen sich nicht. Lediglich zwei Zuschriften sind die magere Ausbeute. Doch kommt nur eine von beiden in Frage. Eine Doppelhaushälfte, „Weststandard“, im Schwarzen Weg in Strehla.

 

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Am 23. Juli 1990 ziehen wir in Strehla ein.

Noch keine drei Wochen sind vergangen, seit ich zum letzten Mal in Riesa war, doch wie sehr hat sich alles verändert. Plötzlich finden sich Farbflecken im tristen Grau der Straßen: Markisen werden zur Zierde auf die Fensterscheiben von Obst- und Gemüsegeschäften geklebt, bunte Sonnenschirme spenden den Auslagen Schatten. – Nur die einheimischen Obst- und Gemüseprodukte fehlen immer noch.

In Strehla werden die Häuser rund um den Markt restauriert, sanfte Farben bringen Häuserfronten zu neuem Leben.

Die Stadt fördert und regt an, die Eigentümer übertreffen sich gegenseitig, großzügig sieht man darüber hinweg, hat einer übers Ziel geschossen. Der Nachholbedarf ist im Juli 1990 nicht zu übersehen, für mich unvorstellbar, wie Immobilieneigentum so vernachlässigt werden konnte. Das Bewusstsein, dass Immobilienbesitz Vermögen, und nicht Belastung ist, wächst nur langsam. Doch es wächst.

 

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Und heute, 10 Jahre später, kann ich feststellen: Es hat sich viel getan! Man soll nicht auf die Unkenrufe hören. Die Hauptstraße hat ihr abgetragenes, holpriges Kleid gegen ein glattes Gewand getauscht. Die anliegenden Häuser stehen vielmals im Glanz nicht nach. Neue Einkaufsmöglichkeiten sind entstanden, alte in Vergessenheit geraten. Mancher musste die bittere Erfahrung machen, dass nicht alles was glänzt, auch Gold ist. Das Stahlwerk, die Leimfabrik – verlorene Arbeitgeber. Doch andere sind dafür entstanden, Jugendliche können sich nicht mehr an den Trauerflor des Stahlwerkes erinnern, das düstere Bild ist verschwunden.

 Die gewonnene Freiheit verlangt mündige Bürger. Bürger, die gewillt sind, ihr eigenes Schicksal in die Hände zu nehmen, Bürger die sehen, wenn sie Fehler gemacht haben – und nicht nur die Fehler der anderen.

 

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Als ich vor 10 Jahren nach Strehla kam, da beglückwünschten mich viele zu dem Entschluss, in Strehla zu wohnen, es sei eine schöne Gegend. Heute kann ich sagen, ich habe so etwas wie eine neue Heimat gefunden. Wenn wir nach Strehla kommen, kommen wir nach Hause. Bin ich unterwegs, so denke ich an die Elbwiese, den Uferweg. Die Kirche und das Schloss sind warm angestrahlt, wachen über den Elbborgen. Und zuweilen bekomme ich Besuch, der will dann den Frieden an der Elbe atmen, die Milchstraße am Nachthimmel bewundern, Glühwürmchen tanzen sehen, Sternschnuppen fangen, den Weg wieder zu sich selbst finden.

Und meint jemand, er hätte noch nie etwas von Strehla gehört, so kann ich ihn darauf hinweisen: „Strehla, doch sicher haben sie schön etwas von Strehla gehört! Jeder, der Verkehrsfunk hört, kennt den Satz < In Strehla ist die Fähre außer Betrieb>.“

Und schreiend zieht der Rotmilan seine Kreise am Himmel, es ist Sommer in Strehla.

 

 

 

 

 

     Jahre Kanzlei Stbv. Cornelia E. Lambe

 

 

Es ist unfaßbar, wie schnell die Zeit vergeht – und das ohne einen Tag Langeweile. Als ich mich im März 2000 an den Schreibtisch setzte, um über die vergangenen 10 Jahre zu schreiben, da kam mir das ganze schon wie eine kleine Ewigkeit vor. Nun kann ich am 28. Juni 2015 auf 25 Jahre Bestehen meiner Kanzlei zurückblicken. Und für etliche meiner Mandanten gilt gleiches. Stolz kann man darauf sein.

Natürlich kann ich nicht aus dem Nähkästchen plaudern, doch es ist prall gefüllt und droht zuweilen überzuquellen. Also bleibe ich bei den Allgemeinplätzen und versuche doch ein wenig an die vergangen Zeiten zu erinnern. Zum Beispiel der Aufbau der Kanzlei. Die Räumlichkeiten in Strehla, zunächst im Schwarzen Weg, waren relativ schnell gefunden, doch fehlte die Möblierung. In einer Lagerhalle im Riesaer Hafengebiet fanden wir ein Möbelgeschäft, welches sich bereit erklärte uns, nach spielen lassen vieler Beziehungen und einer hohen Anzahlung, sechs Schreibtische zu verkaufen. Lieferzeit 6 Wochen, es wurden 9 daraus. Also war mein erster Schreibtisch ein ausrangierter Tisch, den ein Mandant für mich auftrieb. Das System, man muß jemanden kennen, der jemanden kennt wurde damit vom ersten Moment an verinnerlicht. Da der Tisch vor Splitter und Macken nur so strotzte, wurde er von mir kurzer Hand mit Nadelfilz-Fußbodenplatten beklebt. Der Nadelfilz förderte die Durchblutung der Arme ungemein. Als nächstes mußten Desktop-Computer her. Die Besten die es gab, mit Floppy-Laufwerk für 5,25“ Disketten, die die Stabilität von Pappe aufwiesen. Der Arbeitsspeicher wurde noch in MB angegeben. Jeweils zwei Computer hingen an einer störungsfreien Stromversorgung, die mindestens einmal täglich in Aktion treten mußte, mit der Folge, daß die Lebensdauer der störungsfreien Stromversorgung stark strapaziert wurde. Mit Desktop-PC und 9“ Monochrom-Röhrenmonitor war der Arbeitsplatz gut gefüllt, da hatten kaum noch Unterlagen daneben Platz. Die technische Wunderwelt wurde noch um einen Nadeldrucker ergänzt, der meterweise Endlospapier fraß. Mußte mit einem Mandanten schnell Kontakt aufgenommen werden, so wurde auf der Post ein Telegramm aufgegeben. Im Gegenzug erhielt ich auch so manches Telegramm. Zum Telefonieren setzten wir uns ins Auto und fuhren auf der B6 Richtung Luppa. Kurz hinter Calbitz führte ein Feldweg Richtung Collm, hier empfing unser Motorola unter Ächzen und vielen Nebengeräuschen Funkwellen des C-Netzes. Der Komfort – und die Kosten – steigerten sich ins Unermeßliche, als ich von einem anderen Mandanten eine 4-Meter-Antenne, ausgerichtet auf den Collm, installiert bekam und dann mit dem unhandlichen Motorola Funktelefon Kontakt zur Außenwelt aufgenommen werden konnte. Einmal in der Woche mußte nach Dresden in die Budapester Straße gefahren werden, denn dort waren die ersten Geschäftsräume der DATEV und die Abgabe der Datenträger gewährleistete, daß die Buchführungen der Mandanten, via Standleitung nach Nürnberg übermittelt, dort fristgerecht verarbeitet wurden und die Auswertung wieder zurück in die Kanzlei kam. Das war auch so ein Punkt. Das Amt für Finanzen war in Riesa noch in der Berliner Straße, im Gang des Erdgeschoßes stand auf einem Stuhl ein Karton für die Umsatzsteuer-Voranmeldungen, frei einsehbar für jeden, der Interesse daran hatte. Der Umzug des Finanzamtes in die Robert-Koch-Straße bot dann mehr Diskretion.

Seit 1992, als ich für meine Kanzlei die Räume am Markt 8 anmieten konnte, verfüge ich über Festnetz. Frau Ludwig war so lieb mir ihren Telefonanschluß abzutreten und so übernahm ich die alte Rufnummer 323 bis die Telefone in Strehla nicht mehr zur Rarität zählten und die 91 vor die alten Rufnummern gesetzt wurde. Bereits 1997 wurde der Anschluß auf ISDN aufgewertet und damit standen mir mehrere Leitungen zur Verfügung, das Modem rechtfertigte seine Daseinsberechtigung.

Um in der Welt der Computer zu bleiben, die Computer, die zunächst mühsam aus Hessen nach Sachsen „importiert“ werden mußten, waren schneller von der Entwicklung überholt, als man es sich ursprünglich vorgestellt hat. Man kann auch sagen, ich hatte gehofft, daß die Computer länger aktuell bleiben würden. IBM und Microsoft waren ein eingeschworenes Team und die DATEV war auf IBM eingeschworen. Zwar löste sich die DATEV von IBM, aber die Software von Microsoft war nicht mehr aus Nürnberg weg zu denken. Microsoft entwickelte sich von DOS zu Windows, die nächste Computer-Generation wurde nötig. 1998 bekam die Kanzlei ihr erstes Netzwerk, welches seither alle drei Jahre erneuert werden muß. Aber es gibt auch einen positiven Aspekt dabei, basierend auf Windows kann ich in die Buchführung meiner Mandanten bis zum Jahr 1995 zurückgreifen. Das hat schon zu so manchem Aha-Erlebnis geführt. Genug von der Technik, die jedoch am eindrucksvollsten die rasante Entwicklung der vergangene 25 Jahre verdeutlicht.

Meine ersten Jahre in Strehla waren von Standortwechsel geprägt, auch wenn ich mich noch so sehr nach Beständigkeit sehnte. Mein erster Mietvertrag im Schwarzen Weg lief über 1 Jahr, nichts Ungewöhnliches, ungewöhnlich war jedoch, daß mir nach Ablauf des Jahres nachdrücklich klar gemacht wurde, daß mir die Räume nicht länger zur Verfügung stehen würden. Meine Frage beim Strehlaer Bürgermeister, ob ich denn ein Haus bekommen könnte, war abschlägig beschieden worden, ja wenn ich ein Rechtsanwalt wäre, ja dann…

Für eine kurze Zwischenphase mußten die Kanzleiräume in Röderau im ehemaligen Bummi-Kindergarten untergebracht werden, bevor ich in die freigewordenen Räume der Stadtapotheke am Markt 8 ziehen konnte. Und meine Mandanten zogen von Kanzleistandort zu Kanzleistandort mit mir mit. Der dringenden Aufforderung des Bürgermeisters von Röderau, doch eine Kanzlei in Röderau-Süd[1] zu errichten, widerstand ich ohne mit der Wimper zu zucken. Im Dezember 1999 war es endlich soweit, ich zog in meine eigenen Kanzleiräume in die Bahnhofstraße ein, der Standortwechsel hatte sein Ende gefunden. Seither bin ich in Strehla so bekannt wie ein bunter Hund, den niemand kennt. Was ich damit meine? Nun ich ging, es war wohl 1993 oder 94, mit dem Hund auf dem Feldweg Richtung Zaußwitz spazieren, ein Ausweich-Spazierweg, weil sich die Elbe mal wieder auf Erkundungstour befand, auf den Feldern wurden geackert. Mein Auto trug noch das Darmstädter Kennzeichen. Als ich den dritten Tag hintereinander dem Bauern über den Weg lief, sprach er mich an, ob ich hier auf Urlaub sei. Ich verneinte und erklärte ihm, daß ich beruflich in Strehla tätig sei. Nach meiner Profession befragt antwortete ich wahrheitsgemäß, nur um gerügt zu werden „Was, Steuerberatung, das brauchen wir hier in Strehla nicht, wir haben schon einen Steuerberater am Markt!“ Lachend bekannte ich, daß es sich um meine Kanzlei am Markt handelt. Soviel zum bunten Hund, den niemand kennt. Und die Wagenfähre von Strehla, die ist schon vor Jahren dem TÜV zum Opfer gefallen, befördert keine Fahrzeuge mehr von der einen Elbseite auf die andere.

Es liegt in der Natur der Sache, daß nicht alle Mandanten, die einmal bei mir waren, noch heute bei mir sind. Da waren die ersten Jahre, wo so mancher sich selbständig machte. Ich erinnere mich noch gut daran, daß mir ein „Jungunternehmer“ gegenübersaß und mich danach befragte, mit welchem Unternehmen er selbständig machen könnte. Ich fand die Schublade mit dem Glückslos nicht. Ich wurde von einem Aspiranten gefragt, wie ich die Chance sehen würde, wenn er die Vertretung einer namhaften Automarke übernehmen würde. Ich hatte in Hessen schon mit den besitzergreifenden Maßnahmen eines großen Autokonzerns Bekanntschaft gemacht, gab als Risiko die bald folgenden kostspieligen Auflagen zu bedenken. Der Informationssuchende wurde kein Mandant von mir, die Prophezeiung ist dennoch eingetreten. Am härtesten war und ist immer noch für mich, wenn ich für einen Insolvenzverwalter tätig werden muß, zu Beginn die von der Treuhandanstalt (THA) eingesetzten Liquidatoren. Leichenfledderer. Ohne Erbarmen wurden Unternehmen, zum Teil mit vollen Auftragsbüchern, zur Liquidation gezwungen und sei es nur, weil ein Geschäftsführer sich mehr auf den praktischen Aufgabenbereich gestürzt hatte und darüber eine Unterschrift vergessen hatte. Der August 1992 war so ein magischer Monat, aus der GmbH i.A. (im Aufbau) wurde automatisch eine GmbH i.L. (in Liquidation), der Geschäftsführer hatte versäumt rechtzeitig die Eintragung im Handelsregister zu beantragen. Was war es im Gegenzug ein Trost, konnte man dabei unterstützend zur Seite stehen wenn, wie Phönix aus der Asche, ein Unternehmen von der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BVS) erfolgreich ausgelöst wurde, wenige Jahre danach den „Goldener Sachsen“ überreicht bekam und im Jahr darauf als „mutiger Unternehmer“ ausgezeichnet wurde. Höhen und Tiefen liegen auch hier dicht beieinander.

Nun habe ich doch ein wenig aus dem Nähkästchen geplaudert, will es damit aber gut seinlassen. Mein 25-jähriges Bestehen und auf die nächsten 25 Jahre, dann aber viele Jahre davon unter der Ägide meines Sohnes, will ich mit einem kleinen Umtrunk am Samstag, den 27. Juni 2015 zwischen 12 und 18 Uhr feiern und lade dazu herzlich ein. Die Planung würde es erleichtern, könnte im Sekretariat bis Anfang Juni die Teilnahme angekündigt werden.

 

[1] der Ortsteil, der bei der Flut 2002 vollständig vernichtet worden ist

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